Aus: Luxemburger Tageblatt, vom 6.8. 2022, Rezensent: Guy Helminger:

…Es sind verdichtete Erinnerungen an Gewalt, an Verlust, an schicksalshafte Entscheidungen, an  Schönheit und an Leere. Dabei warten diese Zeilen mit sehr leiser Stimme auf. Sie sagen Dinge scheinbar einfach so nebenher, als sei das Gesagte ephemer, nicht von Bedeutung. Aber zugleich legt ihr Klang eine bleibende Spur, durch äußerlichen Ort und Innerlichkeit. Es fällt schwer, sich diesem wunderbar poetischen Ton zu entziehen...

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Aus: Das Gedicht, vom 10. 8., Rezensent: Hellmuth Opitz

..Zielgenau legt Sabine Schiffner hier den Finger auf den neuralgischen Schmerzpunkt der aktuellen Weltlage – fast mit prophetischer Gabe ..Die Poetin schaut mit seismographischer Genauigkeit in die Risse im Firnis vermeintlicher Zivilisation…

Aus: Der Falter vom 5.8., Rezensent: Björn Hayer

…wie ein nie versagender Bewusstseinsstrom stürzen sich Sabine Schiffners Verse mit Rasanz und Passion in die Welt. Vor unserem inneren Auge entsteht eine Seelenlandschaft. Was die Autorin in ihr sucht, ist die manchmal zu übersehende aber in Wirklichkeit große Seelenschönheit…

Kindbettfieber:

Aus: Der Spiegel, vom 27.10.2005, Rezensentin: Doris Plöschberger

Generationenroman „Kindbettfieber“

Lust und Last des Erinnerns

Sie verbrennen Briefe, Notizbücher und Fotoalben, aber das Erbe ihrer Ahnen werden sie nicht los. Sabine Schiffner erzählt in ihrem spektakulär eigenwilligen Romanerstling „Kindbettfieber“ eine über vier Generationen reichende Bremer Familiengeschichte.

Ein Tagebuch geht verloren. Unter einer Parkbank liegt es im Taubendreck. Dieses Tagebuch war als Geschenk gedacht. Die 18-jährige Sigune hat es von ihrer Mutter zum Geburtstag bekommen, gierig in einer Nacht zu Ende gelesen, um es am nächsten Tag auf der Bank neben der Würstchenbude zu vergessen. Zwar bleibt es verschwunden mit all seinen Geheimnissen, von der Mutter für die Tochter notiert, aber Sabine Schiffner macht sich in ihrem außergewöhnlichen Debütroman „Kindbettfieber“ an die Rekonstruktion des Verlorenen. Sie erzählt eine über vier Generationen reichende Bremer Familiengeschichte, von ihren großbürgerlich erwartungsvollen Anfängen im ersten Jahrzehnt des gerade vergangenen Jahrhunderts bis zu ihrem desillusionierten Ende in den achtziger Jahren..

Der Roman blendet auf die weibliche Linie der Familie und auf die Osterfeiertage weit auseinander liegender Jahre: 1911, 1941, 1963, 1981. Jahrhundertgeschichte und Stadtgeschichte verbinden sich mit wenigen, aber prägenden Abschnitten im Leben vierer Frauen zu einem dicht gewebten Text, üppig ausgestattet mit viel Blumenpracht, Vogelgezwitscher und einem beträchtlichen Liedrepertoire: „Abends will ich schlafen gehen“ und „Du holde Kunst“ summen die Frauen, und „Hell’s Bells“ kreischt Angus Young aus den Boxen auf Sigunes Geburtstagsparty.

Giftige Idyllen

Im Juni dieses Jahres war Sabine Schiffner mit einem Auszug ihres Romans beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt angetreten. Zu gewinnen gab es dort nichts für sie. Fast allen Jury-Mitgliedern war der Text zu „behäbig“, einige störten sich am angeblichen „Patina-Ton des 19. Jahrhunderts“ und andere stießen gar auf „altmodische Wörter“, die sie nicht mochten. Die Autorin wird diese Kritik verschmerzt haben.

Zwischenzeitlich wurde ihr der Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung für das beste Prosa-Debüt verliehen, und sie kann sich damit trösten, dass einer anderen Jury offensichtlich aufgefallen ist, was dem Kärntner Kampfgericht während der Hitzetage der deutschsprachigen Literatur entgangen ist: Sabine Schiffner hat einen spektakulär eigenwilligen und auf überzeugende Weise unmodernen Roman geschrieben, eine wundersame Mischung aus Erinnertem und Erdachtem, Erlebtem und Erträumtem. Die in Klagenfurt monierten Idyllen sind darin so giftig wie die Ligusterbeeren, mit denen der Urahn der Frauen – damals selbst noch ein Kind – seine kleine Schwester fütterte und damit um ihr junges Leben brachte.

Vielleicht haben derartige Differenzen in der Beurteilung gar nichts mit genauem oder ungenauem Hinsehen und der Divergenz von Bewertungskriterien zu tun, sondern bestätigen nur ein hartnäckiges Gerücht: dass ein Roman nur eingeschränkt nach einem wenige Seiten umfassenden Auszug beurteilt werden kann..

Die gleiche Klagenfurter Wettbewerbserfahrung wie Schiffner machte im letzten Jahr nämlich der Österreicher Arno Geiger, ebenfalls mit einer Familien- und Generationsgeschichte, einem Auszug aus dem Roman „Es geht uns gut“. Auch dieser Text fand wenig Fürsprecher in der Jury, und die Kritik fiel ähnlich harsch aus wie an Schiffners Text ein Jahr später. Mittlerweile ist auch Geigers Roman mit einem Preis ausgezeichnet worden, und, wichtiger noch, der Roman wurde sofort nach seinem Erscheinen im August dieses Jahres begeistert besprochen.

Mietgaul und Mettwurstbrot

Verblüffender als die kuriose Ähnlichkeit der Rezeptionsgeschichten ist aber, wie sehr sich trotz aller prinzipieller Unterschiede im Erzählton die Mittel und Motive gleichen, mit denen Schiffner und Geiger einem Genre neue Attraktivität verleihen, das nicht unbedingt unter Innovationsverdacht steht. Die von beiden konsequent durchgehaltene Schlaglichttechnik, nur einzelne, oftmals durch Jahre und Jahrzehnte getrennte Tage auszuwählen und möglichst grell auszuleuchten, entlastet die Romane von historischer Fracht und bewahrt sie vor epischer Überbreite.

Die vielfältigen atmosphärischen Schattierungen des 20. Jahrhunderts gewinnen dafür umso größere Prägnanz: In Schiffners Roman etwa die selbstbewusst zur Schau gestellte Bürgerlichkeit zu Beginn des Jahrhunderts, mit Dienstboten, morgendlichen Ausritten auf dem Mietgaul und der 24-Zimmer-Wohnung im repräsentativen Bürgerhaus. Oder der friedensbewegte Kleinbürgermief in den achtziger Jahren, mit nächtelangen Diskussionen im „Konfusraum“ des Pfarrzentrums und Konzerten von Marius Müller-Westernhagen. Am Ostersonntag dann ein Familienausflug nach Worpswede, und am Ostermontag mit Mettwurstbroten und Schokoladeneiern als Proviant zum Ostermarsch nach Gachstedt, zur „Kaserne der Amis“, denn das ist schließlich Bürgerpflicht, „gegen die Besetzung des Landes zu demonstrieren“.

Familiäre Gefühlsdürre

Österreichische und deutsche Jahrhundertgeschichte schreiben sich bei Geiger und Schiffner wie nebenher, geben nur den unaufdringlichen, aber überzeugenden Hintergrund für das, was Familiengeschichte für die daran Beteiligten so strapaziös macht: die Verstrickungen in Herkunfts- und Gegenwartssysteme, kaum zu durchschauen und auch durch ausdauernde Ignoranz nicht loszuwerden. Ohne ins Psychologisieren zu geraten, deutet Sabine Schiffner etwas davon an.

In ihrem mit Hingabe an das sinnfällige Detail erzählten Roman setzt sie die blühende Landschaft, die vielfältigen Gerüche und Geräusche der Stadt in scharfen Kontrast zur emotionalen Dürre in dieser Familie, mit der sich die Frauen von Generation zu Generation arrangieren. Nur im labilen Zustand kurz vor der Geburt eines Kindes und in der Zeit unmittelbar danach, „im Kindbett“, gewinnen die Sehnsüchte, Wünsche und Träume für kurze Zeit die Oberhand über die ernüchternde Faktizität des gelebten Lebens: Elisabeth, Sigunes Großmutter, überfallen die Erinnerungen an Richard, mit dem sie als junges Mädchen ins Theater ging und in die Oper, ehe „Rassegründe“ all dem ein Ende setzten. Geheiratet hat sie Friedrich. Der verbietet ihr Oper und Theater und ist lieber „an der frischen Luft, die könne man umsonst genießen“.

Frieda kommt kurz vor der Geburt ihrer Tochter Sigune in den Sinn, dass sie die Verlobung mit ihrem späteren Mann zunächst hat platzen lassen, weil „sie an einen anderen denken musste“. Und im „Kindbettfieber“, einer Infektionskrankheit, die in den sechziger Jahren noch häufig bei Frauen im Wochenbett auftrat, muss sie unaufhörlich daran denken, dass sie gerne Tänzerin geworden wäre, „aber Tanzstunden durfte sie nicht nehmen, das schickte sich nicht“.

„Kindbettfieber“ ist ein Buch der Einsamkeit und Verlassenheit trotz und wegen enger Familienbande – mit dem unsentimental-traurigsten Schluss, der sich für einen Roman dieses Genres denken lässt: Die Generationenfolge kommt auf dem gynäkologischen Stuhl eines Bremer Krankenhauses zu ihrem Ende. Trostreich ist das nicht. Aber wer wollte unbescheiden sein. Ein außergewöhnlicher und virtuos erzählter Roman ist schließlich auch was wert.

HAMBURGER ABENDBLATT:

Durch die Erzählweise, die ganz langsam eine Szene entstehen läßt und die
nicht bloß der Reihe nach Frauenschicksale abhandelt, dauert es meist einige
Absätze, bis sich der Leser in die jeweilige Situation hineingefunden hat.
Das macht die Lektüre aber keinesfalls langweilig, allenfalls intensiver,
denn man wird ganz hineingezogen in dieses Buch.
„Kindbettfieber“ ist einer der seltenen Romane, in denen sich der Leser als
Gast fühlt und die Personen nach der letzten Seite eine Zeit lang vermißt.“

Fee Isabelle Lingnau, 15.3. 2006

DLF: Die Nacht vor der Geburt des ersten Kindes

Der Roman ist ein Erstling und er ist eine schöne Überraschung. Keine kurzen Aussagesätze, keine Großstadtgeschichten, keine Helden um die 30: All die Requisiten, die junge deutsche Autoren in den vergangenen Jahren besonders gerne aus ihrem literarischen Köfferchen hervor holten, fehlen. Vielleicht lieg es daran, dass Sabine Schiffner keine der einschlägigen Literaturschmieden besucht hat, ihre Prosa ist gewachsen auf einem Humus aus Gedichten.

Von Elke Biesel | 25.10.2005

“ Ich habe Jahre lang nur Gedichte geschrieben und hab mich immer als Dichterin gefühlt, hab auch privat immer nur Gedichte gelesen. Viele Leute fanden das seltsam, aber das war einfach das, was mich am meisten interessiert, am meisten bewegt hat.“

Dann kam über den Umweg des Hörspiels der Sprung zur langen Form, wobei allerdings eine Art „Kreuzreaktion“ statt gefunden habe, sagt Schiffner. Gedicht und Prosa hätten sich gegenseitig beeinflusst, seien einander

Spielwiese geworden. Heraus gekommen ist ein Erzählton mit langem Atem. An manchen Stellen vielleicht zu sehr ins Detail verliebt, aber dem Thema des Romans durchaus angemessen. Denn mit „Kindbettfieber“ wagt die 1965 geborene Autorin gleich den großen Bogen. In ihrem Roman findet das gesamte 20. Jahrhundert Platz – von 1911 bis in die 80er Jahre – gespiegelt an der Geschichte von vier Frauen einer Bremischen Familie. Schiffner verbindet sie durch ein gemeinsames Erleben und Leiden – das Kindbettfieber.

“ Der Roman heißt Kindbettfieber, aber eigentlich müsste er heißen: die Nacht vor der Geburt des ersten Kindes. Was da passiert, das ist eigentlich das wesentliche Moment im Roman. Wenn ich nicht auch im Kindbett gelegen hätte und diese Zeit als sehr intensiv erlebt hätte, dann hätte ich den Roman so nicht geschrieben.“

Die Traumschwere Nacht vor der ersten Geburt und die wahnhaften Tage danach sind die Fixpunkte, die den Roman gliedern. Das Kindbettfieber steht für ein gemeinsames Erbe der Frauen; das Thema bietet der Autorin aber auch die Möglichkeit, die historische Entwicklung aufzublättern und das wechselnde Geflecht von Spannungen, in dem die jeweilige Generation lebt. Eine umfangreiche Archiv-Recherche war deshalb unerlässlich .

“ Das Buch ist auch nur entstanden, konnte nur entstehen, weil ich vorher schon Interviews fürs Radio mit älteren Leuten geführt habe und die Zeiten, Geschichten, die in der Vergangenheit spielen, so von alten Leuten erzählt bekommen habe. Sicher als ich es aufschrieb, hat meine Fantasie dann auch eine Rolle gespielt, aber um es dann wieder historisch korrekt zu kriegen, musste ich recherchieren und es berichtigen und dann hat es oft eine ganz andere Richtung genommen als ich ursprünglich gewollt habe.“

Auch in ihrer Familie, sagt Sabine Schiffner, hat sie die Rolle der Chronistin übernommen. Hat das Erbe des Großvaters angetreten, der bei jedem Familientreffen aus seinem schier unerschöpflichen Fundus Geschichten aus ihrer Heimatstadt Bremen erzählte. Ihre Geschwister haben sich dafür nicht interessiert, sie aber war fasziniert und begeistert.

Und deshalb ist der Ort der Handlung – Bremen – mindestens genau so wichtig wie die Figuren, die Sabine Schiffner für den Roman entworfen hat. Die Hansestadt bietet nicht nur das Lokalkolorit wuchert nicht nur mit ihrer spezifischen Meeres-Fauna und Flora durch den Roman, sie formt auch den Charakter der Menschen, ihr Lebensgefühl – im positiven wie im negativen.

“ Das hätte ich so nicht schreiben können, wenn ich nicht hier in Köln leben würde. Hier gibt es so etwas überhaupt nicht, erlebe ich das nicht, dieses strenge Geflecht aus Regeln, Traditionen, Sitten, was in Bremen sehr, sehr stark ist, vielleicht auch durch die isolierte Situation der Stadt im Norden. Und es ist heute noch so. Die positiven Seiten sind, es schafft Identifikation, man fühlt sich aufgehoben, ist in einem Zusammenhang … Der Nachteil und das ist dann vielleicht das kritische Element, was dabei heraus kommt, ist, dass man nicht über gewisse Grenzen hinaus darf, dass man sich in den Rahmen schicken muss und sollte. “

Das tun die Frauen im Roman, sie schicken sich, übernehmen die Rolle derjenigen, die die Familie zusammenhält und dazu auch mal auf eigenes Glück verzichtet. Erst in der dritten Generation werden die Widerstände und damit aber auch die Albträume stärker. Und erst in der letzten Generation erhält die Tradition einen endgültigen Bruch. Sigune, Mitte der 60er Jahre geboren, unterbindet ihre Schwangerschaft und löst damit auch den Fluch, den einst ein Urahn über die Frauen ihrer Familie aussprach.

Der war ein angesehener Apotheker, ein Mann mit bremischen Augen , „ganz hell, wie der Himmel über der See in seinen lichtesten Momenten“. Nachdem er seine Ehe mit einer jungen Dienstmagd gebrochen hat, verschwindet er ins Ungewisse und hinterlässt seiner Frau den Fluch, den die Autorin als märchenhaftes Motiv einsetzt .

“ Mich interessiert schon immer auch etwas Unbewusstes, Seltsames, Lauerndes. Ich habe jetzt die Form dieses Zettels gewählt, auf dem er den Fluch niedergeschrieben hat, der ja ein biblischer Fluch ist, so wie Eva und Adam auch verflucht wurden. Dieser biblische Zorn, dass an nicht vergibt und nicht verzeiht, das ist etwas, was in Familien sehr stark ausgeprägt sein kann, was häufig vorkommt.“

Überrascht hat Sabine Schiffner, dass ihr Roman, für den sie bereits den Preis der Jürgen Ponto Stiftung bekommen hat, von einigen Leserinnen als „Buch für Frauen“ wahrgenommen worden ist. Beim Schreiben habe diese Frage für sie keine Rolle gespielt. Bekommen Männer selbst bei der literarischen Bearbeitung des Themas Schwangerschaft spitze Finger?

“ Man interessiert sich ja auch für die Dinge, die das Spezielle der Männer ausmachen und das ist ja eher dominant in unserer Literaturerfahrung. Also das war vielleicht die einzige Absicht, auch weibliche Themen da hinein zu nehmen, die ja so oft in der „hohen Literatur“ nicht vorkommen. … Und da meine persönliche Warte, die eben eine explizit weibliche ist, auch zu vertreten und eine literarische Form dafür zu finden.“

In der Bremischen Genealogie hat Sabine Schiffner eher einen männlichen Part übernommen. Wie die Kaufmannssöhne ihrer Vorfahren ist sie in die Fremde gegangen und studiert aus der Ferne die historischen Topoi ihrer Heimatstadt.

“ Meine Familie, alle meine Vorfahren kamen immer von da. Ich bin die einzige, die weg gegangen ist, die seit 20 Jahren in der Fremde lebt sozusagen. Die für mich immer eine Fremde geblieben ist. Immer, immer hatte ich die Sehnsucht nach der Heimat, immer wenn ich an Bremen gedacht habe, hat es mir schier das Herz zerrissen.“

Sie ist aber nicht zurück gegangen, sondern hat ihre Sehnsucht als kreativen Motor genutzt. Schon in ihrem ersten Hörspiel „Seenebel“ spielt der Norden eine Rolle.

Ihr zweiter Roman ist schon nahezu fertig, denn Sabine Schiffner hatte schon vor der Veröffentlichung von „Kindbettfieber“ damit begonnen. Es gab einen Punkt, da hat sie sich gesagt, auch wenn Du noch 50 Jahre für die Schublade schreiben solltest, Du machst einfach weiter, denn Schreiben ist das Wichtigste.

„Kindbettfieber“ bestätigt im Nachhinein ihre Hartnäckigkeit und gibt all den Lesern, die Nebensätze nicht für überflüssig halten und sorgfältig erzählte Geschichten schätzen einen guten Anlass, neugierig zu sein auf die weitere Prosa von Sabine Schiffner.

Sabine Schiffner. Kindbettfieber.
S. Fischer Verlag. 334 Seiten, 18,90 Euro

Der Park, ein Hirngespinst. Rezensent: Michael Braun

Sabine Schiffner spielt mit romantischen Lyrikwelten

In einem Garten bei Köln steht ein poetisches „Glückshäuschen“. Ein rheinländisches Refugium, in dem noch romantische Melodien tönen und die Welt zu singen anhebt. Alte Bekannte aus den Grimm’schen Märchen geistern hier herum, und die idyllische Ordnung der Naturzeichen scheint ungefährdet. Fasan, Rebhuhn und Birkhahn besiedeln diesen Garten ebenso friedvoll wie „Schneeweißchen“ und „Rosenrot“. Selbst die traditionsschweren „Wildgänse“ fliegen hier über das nächtliche Köln, als hätte es die missbräuchliche Usurpation solcher Naturmetaphorik nie gegeben.

Nur wenige Lyriker der Gegenwart riskieren so vorbehaltlos ein romantisches Setting wie die Dichterin Sabine Schiffner. In den drei Zyklen ihres Gedichtbands „Male“ (2005) hatte die Autorin noch Kindheitsmuster aus einer Bremer Kaufmannsfamilie präsentiert. Traumverlorene Blicke in einen scheinbar unversehrten Kindheitskosmos findet man nun auch im neuen Band – diesmal in eine rheinländische Lebenswelt. Das lyrische Ich verzeichnet zunächst Verluste: das Ende der Unschuld, eine unglückliche Liebe, den Tod einer Freundin. Die Töne des romantischen „Liedguts“ überkreuzen sich mit prosaischen Redegesten. Sabine Schiffner versucht der eigenen Emphase gegenzusteuern und streut gelegentlich ernüchternde Konterbande in ihre Gedichte. Aber gegen jede Ernüchterung triumphiert immer wieder die Sehnsucht nach dem poetischen locus amoenus. In einem Kapitel werden die Verheißungen der Fremde erkundet, die fremden Stimmen und extremen Landschaften der arabischen Welt. Hier treten dann die „Dschinns“, also die Dämonen auf, die dem Gedichtband den Titel geben, aber nicht so recht zum begütigenden Gestus von Schiffners Texten passen. Im letzten Gedicht des Bandes scheint sich das lyrische Ich zur schroffen Absage an die artifizielle Garten- und Parkherrlichkeit zu zwingen: „schau dieser park ist hirngespinst“. Aber am Ende erliegt das Ich bereitwillig den Glücksversprechen des Parks und auch dem zuvor beschworenen „rotblühenden Garten“: „der park tut alles damit du vergisst / nach draußen zu finden.“