Ich bin mit einer Freundin verabredet. Wir wollen am Morgen in den Cemberlitashamam gehen, der sich neben dem Gran Bazaar befindet und der einer der älteren Hamams hier in Istanbul ist. Er wurde vom berühmten Architekten Sinan erbaut, von den ich ja schon häufiger auf diesem Blog berichtet habe. Meine Freundin hatte mir gestern erzählt, dass sie dorthin gehen wolle und da ich seit ich hier bin, schon öfter gedacht habe, dass ich auch mal gerne in einen Hamam gehen würde, fragte ich, ob ich mitkommen könne. Denn alleine würde ich mich da nicht reintrauen. Auch in der Nähe meiner Wohnung befinden sich mehrere Hamams. Der Galatasaray-Hamam (von 1481), der Aga Hamam (von 1454) und das Cukurcuma Hamam (von 1831), sind alle nur fünf Minuten zu Fuß entfernt, an ihnen gehe ich täglich vorüber. Auch unten am Wasser ist direkt neben der Kilic Ali Pasa Moschee am Galataport ein gleichnamiges Hamam, das im 16. Jhd.errichtet wurde. Der Architekt Sinan hat beim Bau seiner Moscheen immer darauf geachtet, dass nebenan auch ein Hamam war. Die Hamams waren so eine Art öffentliche Badehäuser, denn damals hatte man noch keine Badezimmer. Immer liegen diese Hamams unterhalb der Straßenhöhe, man muss einige Stufen hinabgehen, um ins Innere zu gelangen. Das liegt daran, dass die Hamams hier in Istanbul mit die ältesten Gebäude überhaupt sind und dass das Straßenniveau im Laufe der Zeit immer mehr angestiegen ist. Sie sind fast die einzigen fünfhundert Jahre alten Gebäude, die die Zeit überstanden haben. Vielleicht liegt es daran, weil sie aus Stein gebaut worden sind. Denn ansonsten haben nur einige steinerne Kirchen und Moscheen die Zeit überstanden. Alles andere ist verschwunden, meist sind die vielen abgebrannten Holzgebäude Istanbuls im 19. Jhd. von Steinbauten ersetzt worden. Die Eingänge der Hamams sind immer unauffällig, in die danebenstehenden Häuser integriert, aber man kann, wenn man den Blick nach oben richtet, die Hamams an ihren schönen Kuppeln erkennen, die oft inmitten der moderneren Häuser auftauchen und dampfen. Denn ein Hamam muss natürlich beheizt werden und die Hitze muss entweichen und das geschieht traditionell durch die Löcher in den Kuppeln, mit denen die Hamams gedeckt sind. Dampfende Kuppeldächer bedeutet also: Hier ist ein Hamam. Im Eingang müssen wir an der Kasse angeben, was wir haben möchten. Das traditionelle Hamampaket oder eine Massage bzw. Maske dazu. Wir nehmen das Paket samt Massage und Maske. Dann bekommen wir von zwei älteren Frauen ein dünnes Tuch gereicht und gehen nach oben in die hölzernen Umkleidekabinen, die um einen runden Hof gebaut sind. In der Mitte des Hofes steht ein großer Brunnen aus Marmor. Als wir nun nach unten gehen, werden wir von den Frauen in den nächstgrößeren Raum geleitet. Das ist der Hamam, sagt meine Freundin. Es ist furchtbar heiß. Der Raum ist ganz mit Marmorplatten ausgelegt, oben ist die riesige Kuppeldecke mit vielen Löchern, durch die die Sonne hereinscheinen kann. In einigen kleinen Nebenräumen stehen eine Art Wasserbecken, auf deren Rand wir uns setzen. Jetzt übergießt du dich mit Wasser, fordert meine Freundin, die dieses Procedere schon kennt, mich auf. Ich setze mich also an den Rand des Wasserbeckens, lasse das Wasser laufen und übergieße mich mit einer kleinen silbernen Wasserschale, immer und immer wieder, bis Haar und Körper feucht sind. Und denke daran, wie ich einmal mit meiner Freundin Antje in Tokyo in ein japanisches Bad gegangen bin. Auch dort mussten wir uns im Eingang erstmal lange mit einem Wasserschlauch abduschen, bevor es in die furchtbar heißen Wasserbäder ging. Damals hatten uns aus den Nebenräumen jede Menge Japaner laut kichernd zugesehen, wie wir dort hockten und uns abduschten. Das muss für sie eine ganz besondere Attraktion gewesen sein. Hier jedoch ist außer uns niemand zu sehen. Dann gehen wir in den Innenraum. In der Mitte des Innenraums ist eine große runde Erhöhung, das Nabelbecken, auf die wir uns legen. Splitterfasernackt bis auf die seltsamen Unterhosen, die man uns im Eingang gab. Wir sind hier und heute bisher die einzigen Gäste, das ist angenehm. Der Boden ist sehr warm, aber mit dem Tuch lässt es sich auf den Platten aushalten. Ich liege lange da und starre an die Decke und es ist so wie in der Sauna, nämlich sehr warm und ich fange an zu schwitzen. Einen Moment bekomme ich Panik ob der Hitze und überlege, ob mir das überhaupt gefällt und ob ich nicht lieber gehen soll. Was mache ich hier eigentlich? Aber dann drehe ich mich auf die andere Seite und versuche zu entspannen. Ich höre dann, wie die Tür zu dem großen Raum aufgeht und die beiden Frauen, die uns im Eingang begrüßt haben, auch hereinkommen. Aber wie erschrecke ich, als ich sehe, dass sie halbnackt sind, bis auf schwarze Unterhosen nichts anhaben. Na gut, das macht man hier eben so. Wir sind ja unter uns Frauen. Meine Bademeisterin fordert mich mit Gesten auf, mitzukommen und mich am Rand der Marmornen Erhöhung hinzulegen. Und dann werde ich mit einem groben Tuch enorm abgebürstet, von oben bis unten, von vorne und hinten wird meine Haut geschrubbt, nur am Dekollete bitte ich vorsichtig zu sein, da habe ich es nicht so gerne, wenn sie so brutal schrubbt, das Schrubben tut ein wenig weh. Anschließend muss ich mich auf den Bauch legen und dann bekomme ich eine Riesenportion Seifenschaum über den ganzen Körper verteilt. Und nun werde ich wieder gerieben, diesmal etwas vorsichtiger, wird die Seife überall verteilt. Ich muss mich dann auf den Rücken legen umdrehen und mithilfe eines großen Tuches, dass die Waschfrau in Wasser tunkt und das auf einmal ganz viel Schaum entwickelt, wird nun auch meine Vorderseite komplett in wunderbaren warmen gut duftenden Schaum eingehüllt und massiert. Dann soll ich mich aufsetzen und auch mein Gesicht wird eingeschäumt. Als ich Seife in die Augen bekomme und diese anfangen zu tränen, kommt meine Waschfrau, die nun seltsamerweise einen BH angezogen hat, wieder mit einer der kleinen silbernen Schüsseln. Dann wird erst die Stelle gesäubert, auf der ich gelegen habe und anschließend werde ich an der Hand der Waschfrau zu einem Becken geführt, vor dem ich mich auf den Boden setzen soll und wiederum wird jede Menge Wasser über meinem Kopf ausgegossen, bis aller Schaum fort ist. Jetzt ist diese Prozedur vorerst erledigt. Wenn wir nicht noch die Massage und die Maske bestellt hätten, die in einem Nebenraum appliziert wird. Als ich damit fertig bin, geduscht habe und rauskomme, sitzt meine Freundin schon in dem Innenhof und trinkt einen Tee. Neben ihr hockt eine kleine rote Katze, die scheint auch im Hamam zu wohnen. Die Frauen, die hier arbeiten, machen das immer, auf Lebenszeit, erzählt mir meine Freundin und auch, dass diese Berufe vererbt werden, oft in Familien von Albanern und Romas. Die Masseurfrauen, die Frau, die mir die Maske aufgelegt hat und die Badefrauen sitzen inzwischen auch im Vorderraum. Die Letzteren haben sich inzwischen wieder angezogen und ich kann gar nicht mehr glauben, dass sie eben noch nackt neben mir gesessen haben. War´s das jetzt? frage ich. Ja, das war´s, sagt meine Freundin, und sagt, dass sie zu einer Verabredung muss. Als ich auf die Uhr gucke, sind dreieinhalb Stunden vergangen. Nicht zu fassen. Dreieinhalb Stunden, für die wir soviel bezahlt haben, wie eine Lehrerin in der Türkei in einer Woche verdient. Kommt bald wieder, rufen uns die Waschfrauen hinterher, nachdem wir ihnen das obligatorische Trinkgeld (1,20 Euro, das kommt mir nicht viel vor) gegeben haben. Die haben in letzter Zeit nur noch sehr wenige Kunden, sagt meine Freundin. Auch die Araberinnen kommen nicht mehr, die sind wohl früher noch häufiger gekommen, aber jetzt nicht mehr. Jetzt kommen nur noch ab und zu westliche Tourist*innen, so wie wir. Normale Türk*innen können sich den Besuch im Hamam schon lange nicht mehr leisten.